Mehrere Menschen im Büro, gibt es einen Arbeitnehmermarkt?

Gibt es momentan einen Arbeitnehmermarkt?

Wenn es weniger qualifizierte Bewerber als offene Stellen gibt, bezeichnet man das als Arbeitnehmermarkt. Was das für Bewerber bedeutet, welche Bedrohung für Unternehmen daraus erwächst und wie sich Arbeitgeber trotzdem gut am Markt positionieren können, erfährst du im Folgenden.

Definition: Was ist ein Arbeitnehmermarkt, was ein Arbeitgebermarkt?

Viele Jahre lang gab es in Deutschland und anderen Staaten Europas einen sogenannten Arbeitgebermarkt. Damit ist gemeint, dass sich Unternehmen ihre Mitarbeiter ohne großen Druck aussuchen können – und zwar häufig aus einer großen Menge an Bewerbern.

Ein typisches Merkmal eines Arbeitgebermarktes ist die Post-and-Pray-Strategie: Unternehmen geben eine Stellenanzeige auf (engl. „post“) und hoffen (oder beten, engl. „pray“), dass sich der geeignete Kandidat schon irgendwann darauf bewerben wird.

Seit einiger Zeit funktioniert diese Herangehensweise jedoch immer seltener. Der Grund: Der Arbeitsmarkt wandelt sich von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt.

Heute suchen sich vielfach nicht mehr die Unternehmen die vielversprechendsten Kandidaten aus, sondern umgekehrt: Bewerber entscheiden darüber, bei welchem Unternehmen sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben möchten und bei welchem nicht.

Das gilt natürlich nicht für alle Jobs, alle Branchen und allen Regionen Deutschlands gleichermaßen. Trotzdem haben gut ausgebildete Fachkräfte und von diesen vor allem diejenigen, die eine Ausbildung oder ein Studium in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich oder der IT vorweisen können, die Wahl, wo und für wen sie arbeiten möchten.

Der Arbeitnehmermarkt hängt daher auch eng mit dem Fachkräftemangel zusammen, mit dem einige Branchen mehr, die anderen weniger zu kämpfen haben.

Verkürzt kann man es auf folgende Formel bringen: Wo es weniger qualifizierte Bewerber für offene Stellen gibt, dort gibt es einen Arbeitnehmermarkt. Statt der Post-and-Pray-Strategie herrscht nun ein War of Talents vor, der Kampf um die begehrten Talente und Fachkräfte.

Fachkräftemangel und Arbeitnehmermarkt

Fachkräftemangel und Arbeitnehmermarkt sind nicht überall gleich stark ausgeprägt. Es hängt zum einen von der Branche, zum anderen aber auch von der Region ab, ob Fachkräfte händeringend gesucht werden oder sich Unternehmen die passenden Bewerber aus einer Vielzahl an Zuschriften aussuchen können:

  1. Branche: Ein großen Fachkräftemangel und daher einen Arbeitnehmermarkt gibt es in den sogenannten MINT-Fächern, also den naturwissenschaftlich-technischen Berufen und dem IT-Sektor. Schwindenden Zuwachs hat außerdem die Pflege- und Gesundheitsbranche zu vermelden. Schon seit einigen Jahren fehlt zudem Nachwuchs in den Pflegeberufen. Aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung wird sich dieser Trend vermutlich noch weiter verstärken. Wer schon einmal dringend einen Handwerker gebraucht hat, wird vermutlich auch festgestellt haben, dass gute Handwerker schwierig zu bekommen sind. Auch in dieser Branche liegt daher eher ein Arbeitnehmer- als ein Arbeitgebermarkt vor.
  2. Region: Allerdings hängt es auch von der Region ab, wie ausgeprägt der Fachkräftemangel ausfällt. Viele Arbeitnehmer möchten in den Großstädten oder Ballungszentren leben und suchen daher dort nach einem Job. In den eher ländlichen Regionen kann es dagegen vorkommen, dass auch qualifizierte Fachkräfte länger nach dem passenden Arbeitsplatz suchen müssen. In diesen Regionen gibt es schlicht nicht so viele Arbeitgeber, die eine passende Stelle anzubieten haben. Wer nicht die Möglichkeit hat, remote zu arbeiten und sich bei einem Unternehmen zu bewerben, das in einer Großstadt ansässig ist, wird vielleicht trotz gesuchter Qualifikationen Probleme haben, zügig den passenden Job zu finden.

Was der Bewerbermarkt für Arbeitgeber bedeutet

Arbeitgeber spüren den Wandel am Arbeitsmarkt daran, dass immer weniger Bewerbungen von qualifizierten Bewerbern auf die ausgeschriebenen Stellen eingehen. Das Adjektiv „qualifiziert“ ist in dieser Hinsicht besonders wichtig. Denn zunächst ist der Anzahl der Eingänge im Postfach des Personalentscheiders vielleicht noch unverändert. Schaut er sich die einzelnen Bewerbungen jedoch im Detail an, wird er häufig feststellen, dass immer weniger Kandidaten die geforderten Qualifikationen mitbringen.

Das liegt unter anderem daran, dass sich echte Spezialisten heute kaum noch bewerben. Freelancer, die in ihrem Gebiet gut sind, werden eher von Auftraggeber zu Auftraggeber weiterempfohlen. Werbung, einen großen Webauftritt oder gar die persönliche Bewerbung in Unternehmen können sich diese Personen häufig sparen. Sie werden von Arbeitgebern gesucht und müssen sich nur selten selbst nach Posten umsehen.

Arbeitnehmer mit Expertenwissen und guter Performance werden so stark gesucht, dass Unternehmen häufig sogar Headhunter beauftragen, um die benötigten Spezialisten von anderen Firmen abzuwerben.

Fehlen die gesuchten Fachkräfte langfristig, kann das für ein Unternehmen zu einer existenziellen Bedrohung werden. Denn über kurz oder lang wird die Produktivität sinken und damit der Umsatz zurückgehen. Das Unternehmen kann einen Abschwung erleben. Wer nicht rechtzeitig gegensteuert, verliert den Anschluss an die Konkurrenz und muss schlimmstenfalls Insolvenz anmelden.

Dieser Prozess vollzieht sich natürlich nicht von heute auf morgen. Trotzdem dürfen Arbeitgeber den Wandel auf dem Arbeitsmarkt nicht unterschätzen, wenn sie weiterhin wirtschaftlichen Erfolg haben möchten.

Die Auswirkungen für Arbeitnehmer

Beschäftigte sind in einer guten Position, wenn es kaum qualifizierte Bewerber für eine Stelle gibt. Denn dann müssen sie sich weniger anstrengen, um aus einer Masse an guten Bewerbern herauszustechen.

Bringen sie die geforderten Qualifikationen mit, schlägt sich der Arbeitnehmermarkt auch beim Gehalt nieder. Zukünftige Mitarbeiter, die wissen, dass der Arbeitgeber so schnell keinen vergleichbaren Mitarbeiter finden wird, der ähnliche Fertig- und Fähigkeiten hat, können selbstsicher in die Gehaltsverhandlung gehen.

Neben einem guten Einstiegsgehalt können sie mit etwas Glück weitere Extras wie einen Firmenwagen oder zum Beispiel die Option auf Homeoffice aushandeln. Auch befristete Arbeitsverträge werden in einem Arbeitnehmermarkt seltener. Gut ausgebildete Bewerber müssen sich nicht mehr darauf einlassen, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, der nur für einen bestimmten Zeitraum gilt. Sie haben es in der Hand, die Konditionen für das Arbeitsverhältnis auszuhandeln, da ihre Expertise im Unternehmen gesucht und gebraucht wird.

Arbeitnehmermarkt: Die Herausforderungen für Arbeitgeber

Spricht die allgemeine Wirtschaftslage für das Vorhandensein eines Arbeitnehmermarkts, sind die Unternehmen gefragt. Jeder einzelne Arbeitgeber muss etwas dafür tun, dass sich die gesuchten Kandidaten bei ihm bewerben.

Und natürlich ist mit dem bloßen Eingang einer Bewerbung noch lange nicht das Ziel erreicht. Denn anders als früher müssen Unternehmen, die in einem Arbeitnehmermarkt nach neuen Mitarbeitern suchen, im Vorstellungsgespräch um diese Mitarbeiter buhlen – und nicht mehr umgekehrt.

Arbeitgeber, die in diesem Umfeld erfolgreich sein möchten, müssen den Bewerbern etwas bieten. Sie müssen als Arbeitgeber attraktiv sein und bleiben. Unternehmen müssen ihre Bemühungen langfristig aufrechterhalten, auch wenn der gewünschte Kandidat bereits einen Arbeitsvertrag unterschrieben hat.

Wenn sich die Versprechungen und Zugeständnisse aus dem Vorstellungsgespräch als heiße Luft entpuppen, wird sich der neue Mitarbeiter vermutlich schnell nach einem neuen Arbeitgeber umsehen. Denn dass er eine andere Firma finden wird, die ihn einstellt, dürfte dank Arbeitnehmermarkt kein Problem sein.

Arbeitgeberattraktivität steigern: So kann es gelingen

Unternehmen, die in einem Bewerbermarkt die passenden Mitarbeiter finden möchten, müssen in erster Linie an ihrer Attraktivität als Arbeitgeber arbeiten. Denn letztlich entscheidet die Arbeitgeberattraktivität darüber, ob Mitarbeiter den angebotenen Arbeitsvertrag unterschreiben oder nicht.

Welche Attraktivität ein Arbeitgeber ausstrahlt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, die jeder Bewerber unterschiedlich gewichtet. Für den einen Mitarbeiter ist zum Beispiel Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema und er könnte sich nicht vorstellen, bei einem Unternehmen zu arbeiten, das sich weder für Umweltschutz noch für ressourcenschonendes Wirtschaften interessiert.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen Mitarbeiter, für die Nachhaltigkeit keine große Rolle spielt und die eher an flexiblen Arbeitszeitmodellen

oder einer ausgeglichenen Work-Life-Balance interessiert sind.

Unternehmen stehen also zusätzlich vor der Herausforderung, dass sie zunächst wissen müssen, was die anvisierten Mitarbeiter schätzen und wie man ein dazu passendes Employer Branding entwickelt.

Glücklicherweise gibt es einige Faktoren, die von fast allen Mitarbeitern geschätzt werden. Unabhängig von der eigenen Ausrichtung schadet es daher nichts, wenn Arbeitgeber überprüfen, wie es in ihrem Unternehmen um folgende Punkte bestellt ist:

  1. Wertschätzung: Eine offene und wertschätzende Kommunikation trägt dazu bei, dass sich Mitarbeiter im Unternehmen wohlfühlen. Respekt und Anerkennung stärken daher die Attraktivität des Arbeitgebers. Auch wenn es vielleicht selbstverständlich klingt, dass ein Arbeitgeber respektvoll mit seinen Beschäftigten umgehen sollte, ist es das nicht überall der Fall. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht wertschätzend behandeln, werden große Probleme haben, neue Mitarbeiter zu finden. Denn auch Bewerber sind untereinander vernetzt und tauschen sich über Unternehmen aus – durch die sozialen Medien und Bewertungsportale ist das noch einfacher geworden.
  2. Digitalisierung: Gerade für jüngere Arbeitnehmer spielt die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes eine große Rolle. Sie möchten nicht mit einem veralteten Rechner arbeiten, auf dem ein längt überholtes Betriebssystem läuft. Denn Technologie, die nicht up-to-date ist, erschwert die Arbeit, kostet Zeit und führt zu Frust.
  3. Entwicklungsmöglichkeiten: Die meisten Arbeitnehmer möchten sich weiterentwickeln und schätzen es, wenn sie von ihrem Arbeitgeber die Chance dazu bekommen. Passende Weiterbildungen oder die Option, sich im Bildungsurlaub neues Wissen anzueignen, beeinflussen daher die Attraktivität eines Arbeitgebers.
  4. Workload: Zu viel Stress und Druck auf der Arbeit machen krank. Aber auch das Gegenteil, nämlich zu viele langweilige Routinetätigkeiten können ein Grund dafür sein, dass Mitarbeiter ausfallen. Die Aufgabe des Vorgesetzten liegt darin, Mitarbeitern Aufgaben zuzuteilen, die sie fordern, aber nicht überfordern. Gelingt es Arbeitnehmern, auch schwierige und herausfordernde Aufgaben zu meistern, wirkt sich das positiv auf das Selbstbild und die Arbeitsmotivation aus. Beschäftigte, die regelmäßig solche Erfolgserlebnisse haben, wechseln nicht so schnell den Arbeitgeber.

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