Eine Frau hält Geldscheine in der Hand, ist ein Bedingungsloses Grundeinkommen realistisch?

Bedingungsloses Grundeinkommen: Wie realistisch ist der Gedanke?

Jeden Monat einen festen Betrag vom Staat überwiesen bekommen, ohne eine Gegenleistung dafür erbringen zu müssen? Das ist die Idee hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen. Was genau man darunter versteht und welche Vor- und Nachteile das Grundeinkommen haben könnte, diskutieren wir hier.

Was ist bedingungsloses Grundeinkommen?

Die Idee hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist simpel: Jeder Bürger soll monatlich einen gewissen Betrag – häufig werden Beträge zwischen 1.000 und 1.200 Euro genannt –bekommen, um davon alle oder einen Teil seiner Kosten decken zu können. Im Idealfall ist das bedingungslose Grundeinkommen hoch genug, um das Existenzminimum zu sichern.

Ob die Personen weiterhin arbeiten oder nur vom Grundeinkommen leben möchten, bleibt ihnen selbst überlassen. Da das Grundeinkommen bedingungslos gezahlt würde, wäre es nicht an eine Erwerbstätigkeit oder andere Voraussetzungen gebunden.

Jeder Bürger hätte einen Anspruch auf das Grundeinkommen, ohne dafür bestimmte Nachweise erbringen zu müssen. Jeder Bürger bekäme die Leistung unabhängig von der eigenen finanziellen Situation. Vermögende Bürger und Langzeitarbeitslose bekämen also beide monatlich 1.000 oder 1.200 Euro.

Mit der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens sollen andere Sozialleistungen entfallen. Kindergeld, Arbeitslosengeld oder das gerade erst beschlossene Bürgergeld würden gestrichen und durch das Grundeinkommen ersetzt werden.

Da jeder Bürger nur das bedingungslose Grundeinkommen erhält, sinkt der Verwaltungsaufwand in den Behörden. Denn Nachweise oder Anträge werden nicht mehr gestellt. Daher braucht man auch keine Verwaltungsfachangestellten, die die Anträge bearbeiten.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Idee dahinter

Die Idee hinter einem bedingungslosen Grundeinkommen ist ziemlich alt. Schon im Jahr 1797 stellte der englische Autor Thomas Pence erste Überlegungen zu einem Grundeinkommen an.

In letzter Zeit wurde das Konzept bedingungsloses Grundeinkommen auch bei uns häufiger diskutiert. Die fortscheitende Digitalisierung ist ein guter Grund, um über die Einführung des BGE nachzudenken. Denn einige Menschen befürchten, dass die Digitalisierung in einigen Jahren dazu führt, dass viele Arbeitnehmer ihren Job verlieren. Entweder übernehmen Roboter einen Teil der Arbeit, die heute noch von menschlichen Beschäftigten erledigt wird, oder ganze Berufszweige können an künstliche Intelligenzen ausgelagert werden. Einige Beobachter waren überrascht davon, über welche Kompetenzen die KI ChatGPT verfügt und was entsprechend in den nächsten Jahren an Entwicklungen zu erwarten ist.

Das Grundeinkommen könnte nach Ansicht einiger Personen dazu beitragen, die Folgen der Digitalisierung ein wenig abzumildern. Wenn Menschen arbeitslos werden, weil ein Computer oder Roboter ihre Arbeit übernimmt, kann das BGE eine finanzielle Überbrückungshilfe sein, bis sie einen anderen Job gefunden haben.

Die Vor- und Nachteile des bedingungslosen Grundeinkommens

Einige Vorteile des bedingungslosen Grundeinkommens wurden schon genannt. Es gibt jedoch auch Nachteile. Schauen wir uns daher genauer an, was für und was gegen das BGE spricht.

Die Vorteile des BGE

  1. Möglichkeit, sich beruflich zu verwirklichen: Erhalten Menschen ein Grundeinkommen, sind sie bei der Jobwahl freier. Die finanzielle Grundsicherung gibt ihnen die Möglichkeit, sich nach einem Job umzusehen, der ihren Vorstellungen und Werten entspricht.
  2. BGE steigert Produktivität: Personen, die sich aus freien Stücken für einen Job entscheiden, arbeiten in der Regel motivierter und produktiver. Für Arbeitnehmer ist das positiv, weil die Arbeit Spaß macht und die Arbeitszeit schnell vergeht. Arbeitgeber profitieren, weil sich eine Steigerung der Produktivität häufig in besseren Unternehmenszahlen niederschlägt.
  3. Durch gesteigerte Produktivität mehr Steuereinnahmen: Wenn Unternehmen mehr Gewinn erzielen, ist die Summe größer, die versteuert werden muss. Das wiederum füllt die Staatskasse, aus der das bedingungslose Grundeinkommen finanziert wird.
  4. Mehr Innovation am Wirtschaftsstandort: Die finanzielle Absicherung durch das Grundeinkommen ermöglicht Unternehmensgründungen. Personen, die zumindest einen Teil ihrer Lebenshaltungskosten durch das BGE decken können, sind eher bereit, neue Wege zu gehen. Dadurch können neue Geschäftsideen erprobt werden. Erfolgreiche Startups sind wiederum Arbeitgeber für Personen und zahlen Steuern, was sich positiv auf den Bundeshaushalt auswirkt.
  5. Mehr Chancen für finanzschwache Kinder: Dass Bildung und Schulbildung in Deutschland mit dem Einkommen oder Vermögen des Elternhauses zusammenhängen, wird in unterschiedlichen Studien immer wieder belegt. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte hier Abhilfe schaffen. Wenn jeder Bürger ein kleines Grundeinkommen erhält, könnten die Unterschiede im Hinblick auf die Finanzen zumindest zum Teil ausgeglichen werden. Im Idealfall erhalten Kinder aus finanzschwachen Haushalten eher die Chance, Abitur zu machen und zu studieren.
  6. Ausbildungen werden attraktiver: Schon jetzt lässt sich in zahlreichen Ausbildungsberufen gut verdienen. Außerdem ist der Bedarf an Nachwuchs in vielen Branchen groß. Etwaige Unterschiede zwischen den Gehältern würden zudem durch das Grundeinkommen abgeschwächt. Außerdem ist die mitunter schlecht bezahlte Ausbildungszeit nicht mehr so ausschlaggebend für die Entscheidung für oder gegen einen Ausbildungsberuf. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte daher die Bereitschaft erhöhen, sich für einen Ausbildungsberuf zu entscheiden.
  7. Bessere Work-Life-Balance: Unter Umständen könnte das Grundeinkommen dafür sorgen, dass manche Menschen beruflich etwas kürzer treten. Das würde dazu führen, dass sie eine bessere Work-Life-Balance haben, da sie vielleicht von Voll- zu Teilzeit wechseln oder den Nebenjob neben der Vollzeittätigkeit streichen könnten. Das freut nicht nur die betreffende Person, sondern auch die Angehörigen, die das viel arbeitende Familienmitglied nun öfter sehen.
  8. Weniger Verwaltungsaufwand: Untersuchungen belegen immer wieder, dass der Verwaltungsapparat in Deutschland träge und ineffizient ist. Durch das bedingungslose Grundeinkommen könnte der Verwaltungsaufwand reduziert werden. Denn andere Sozialleistungen fallen weg und werden komplett durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt. Da bei dem BGE keine Unterlagen eingereicht oder Anträge gestellt werden müssen, macht sich das positiv in der Verwaltung bemerkbar.

Die Nachteile

Einige der genannten Vorteile könnten sich schnell in Nachteile verwandeln. Da niemand sagen kann, welche Auswirkungen eine gesamtgesellschaftliche Einführung des BGE haben würde, sollte man auch diese Gefahren im Hinterkopf behalten:

  1. Weniger Arbeitsstellen: In der öffentlichen Verwaltung arbeiten viele Arbeitnehmer. Wenn diese Beschäftigten nicht mehr gebraucht werden, weil es keine Anträge mehr gibt, die zu prüfen, fallen diese Stellen weg. Die Folge: höhere Arbeitslosigkeit.
  2. Weniger Umsatz und Steuerzahlungen: Weitet sich die Arbeitslosigkeit auf andere Wirtschaftsbereiche aus, könnte das zu einem volkswirtschaftlichen Problem werden. Gibt es weniger Arbeitnehmer, sinkt die Produktivität und damit auch Umsatz und Gewinn. Das könnte dazu führen, dass die Steuereinnahmen des Staates sinken. Die sind jedoch unbedingt nötig, da daraus das bedingungslose Grundeinkommen finanziert wird.
  3. Weniger Motivation für fordernde Berufe: Die Gefahr, dass es nicht mehr genügend Arbeitnehmer für alle offenen Stellen gibt, besteht besonders in denjenigen Berufen, die wenig attraktiv sind. Erhalten Menschen ein Grundeinkommen, können sie bei der Berufswahl wählerischer sein. In der Pflege, im Reinigungsgewerbe, bei der Müllabfuhr oder in der Sicherheitsbranche könnten daher viele Arbeitnehmer fehlen.
  4. Weniger Einkommen: Wenn es Unternehmen schlecht geht, könnte das Einkommen der Beschäftigten sinken. Denn Arbeitgeber können in schwierigen Zeiten nicht so viel Geld für Personal ausgeben. Auf der anderen Seite könnten Arbeitgeber aber auch aufgrund des bedingungslosen Grundeinkommens auf die Idee kommen, ihren Mitarbeitern weniger Geld zu zahlen. Schließlich würden diese bereits ein Grundeinkommen erhalten.
  5. Erhöhter Finanzierungsbedarf: Weniger Arbeitnehmer, die Abgaben zahlen, und ein geringeres zu versteuerndes Arbeitseinkommen könnten dazu führen, dass der Finanzierungsbedarf für das BGE steigt. Wenn weniger Geld in der Kasse ist, müssen die Einnahmen an anderer Stelle generiert werden. So mancher Finanzminister könnte auf die Idee kommen, den Steuersatz zu erhöhen, um das Grundeinkommen zu finanzieren.

Das bedingungslose Grundeinkommen in der Praxis

Seit dem Sommer 2021 läuft in Deutschland das sogenannte Pilotprojekt Grundeinkommen. Die 122 Teilnehmer dieser Studie erhalten während der Projektlaufzeit von drei Jahren monatlich 1.200 Euro.

In der Studie sollen Fragen untersucht werden wie beispielsweise:

  • Wie wirkt sich das Grundeinkommen auf die Gesundheit der Teilnehmer aus?
  • Haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich besser zu verwirklichen und diejenigen Dinge anzupacken, die ihnen am Herzen liegen?
  • Welchen Einfluss hat das BGE auf die gesamte Gesellschaft? Wächst der Zusammenhalt?
  • Kann das Grundeinkommen Demokratie stärken, indem Vorurteile abgebaut werden und dem Populismus der Wind aus den Segeln genommen wird?

Im zweiten Quartal 2023 werden erste Zwischenergebnisse erwartet. Wir dürfen gespannt sein, zu welchen vorläufigen Ergebnissen die Studienautoren im Hinblick auf das bedingungslose Grundeinkommen kommen.

Bildnachweis: Ground Picture / Shutterstock.com


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