Ein Bauleiter schaut auf die Uhr, das ist bei Vertrauensarbeitszeit nicht zwingend nötig

Vertrauensarbeitszeit: So funktioniert sie

Die Arbeitszeit frei einteilen – das können Arbeitnehmer, wenn ihr Arbeitgeber Vertrauensarbeitszeit anbietet. Statt auf bestimmte Anwesenheitszeiten kommt es dabei darauf an, ob bestimmte Ziele in einem festgelegten Zeitraum erreicht werden. Der Arbeitgeber räumt seinen Mitarbeitern viel Flexibilität und Autonomie ein, sie müssen sich dafür gut organisieren und ihre Zeit optimal einteilen können. Was die Vertrauensarbeitszeit charakterisiert, welche Vor- und Nachteile sie hat und welche Rechte und Pflichten damit für Arbeitnehmer einhergehen, erfährst du in diesem Beitrag.

Vertrauensarbeitszeit: Definition des Begriffs

Die Vertrauensarbeitszeit ist ein Modell, die Arbeit zu organisieren. Sie zählt zu den flexibelsten Arbeitszeitmodellen überhaupt. Ein charakteristisches Merkmal der Vertrauensarbeitszeit ist die freie Zeiteinteilung der Arbeitnehmer, die innerhalb gewisser Grenzen selbst festlegen, wann und wo sie arbeiten.

Zwar muss die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit eingehalten werden. Es liegt aber an den Mitarbeitern, ob sie um 11 Uhr mit der Arbeit beginnen oder schon um 7 Uhr, ob sie um 17 Uhr gehen oder um 14 Uhr. Die Vertrauensarbeitszeit zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber nicht kontrolliert, wann seine Mitarbeiter anwesend sind. Aus diesem Merkmal leitet sich die Bezeichnung des Modells ab. Statt um die Einhaltung fester Arbeits- und Anwesenheitszeiten geht es bei der Vertrauensarbeitszeit darum, vereinbarte Ziele in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen. Das Ergebnis muss also stimmen – der Weg dahin ist weniger entscheidend.

Wie funktioniert das Modell Vertrauensarbeitszeit?

Wenn ein Unternehmen Vertrauensarbeitszeit einführt, sind die Rahmenbedingungen häufig im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung fixiert. Das ist jedoch keine zwingende Voraussetzung, auch eine mündliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern ist denkbar.

Vertrauensarbeitszeit funktioniert über feste Zielvereinbarungen. Arbeitgeber und Beschäftigte halten gemeinsam fest, in welchem Zeitraum eine bestimmte Aufgabe oder ein Projekt erledigt sein sollen. Wann und wie sie die Aufgaben erfüllen, ist den Beschäftigten selbst überlassen. Sie können etwa schon frühmorgens arbeiten oder auch noch später am Abend. Häufig kann die Arbeit auch an anderen Orten, insbesondere im Homeoffice, ausgeübt werden.

Dass jeden Tag acht Stunden gearbeitet werden, ist bei der Vertrauensarbeitszeit nicht zwingend erforderlich. Die Beschäftigten können etwa an einem Tag zehn Stunden arbeiten und am nächsten nur sechs Stunden. Ebenso ist es denkbar, mal nur bis mittags im Büro zu bleiben und zu einem anderen Zeitpunkt mehr zu arbeiten, um die vorgesehene Wochenarbeitszeit zu erreichen.

Wo Vertrauensarbeitszeit möglich ist – und wo nicht

In manchen Bereichen funktioniert ein Vertrauensarbeitszeit-Modell besser als in anderen. Häufig kommt es etwa im Außendienst zur Anwendung, bei kreativen Tätigkeiten, in der Softwareentwicklung, Telekommunikation oder dem Bereich Multimedia. Auch bei manchen administrativen Aufgaben kann sich das Modell Vertrauensarbeitszeit eignen. Unternehmen, deren Arbeitsorganisation sehr ausgereift ist, können eine Vertrauensarbeitszeit oft problemlos umsetzen. Grundsätzlich eignet sie sich dort, wo das Ergebnis mehr zählt als wann Mitarbeiter anwesend sind.

Weniger geeignet ist die Vertrauensarbeitszeit, wenn die Beschäftigten zu bestimmten Zeiten erreichbar sein müssen – etwa für Kunden, Geschäftskontakte oder andere Ansprechpartner. Die Vertrauensarbeitszeit ist auch dann nicht die beste Wahl, wenn die Mitarbeiter aus anderen Gründen regelmäßig zu bestimmten Zeiten im Büro sein müssen – etwa für Meetings. In Bereichen, wo eine freie Zeiteinteilung kaum machbar ist, kommt Vertrauensarbeitszeit nicht infrage. Das ist etwa in der Produktion, in Läden des Einzelhandels oder im Kundenservice der Fall.

Vertrauensarbeitszeit mit Kernarbeitszeit als Kompromiss

Eine Variante der Vertrauensarbeitszeit ist die Vertrauensarbeitszeit mit festen Kernarbeitszeiten, an die sich die Mitarbeiter halten müssen. Dabei gibt der Arbeitgeber vor, wann seine Beschäftigten auf jeden Fall vor Ort sein müssen. Meist handelt es sich um einen relativ kleinen Zeitraum – etwa von 10 bis 15 Uhr –, um den herum die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit frei festlegen können. Sie können beispielsweise erst zur Kernarbeitszeit bei der Arbeit erscheinen und dafür länger bleiben oder so früh kommen, dass sie im Anschluss nach Hause gehen können.

Diese Variante der Vertrauensarbeitszeit ermöglicht es, dass Besprechungen geplant werden können, was ansonsten nur schwer zu realisieren wäre. Die Beschäftigten sind zudem zu festen Zeiten erreichbar für Kunden und andere Kontakte. Auch den Zusammenhalt im Team – das sich ansonsten womöglich nur kurz begegnet – soll dieser Kompromiss stärken. Manche Arbeitgeber geben keine Kernarbeitszeiten vor, legen aber fest, in welchem Zeitraum ihre Mitarbeiter arbeiten dürfen, zum Beispiel von 6 bis 22 Uhr.

Vorteile und Nachteile von Vertrauensarbeitszeit

Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat Vertrauensarbeitszeit verschiedene Vorteile, aber auch Nachteile. Die wichtigsten Aspekte stellen wir dir in diesem Abschnitt vor.

Vorteile von Vertrauensarbeitszeit für Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer ist ein System der Vertrauensarbeitszeit attraktiv, weil es eine sehr flexible Gestaltung der Arbeitszeit ermöglicht. Du musst nicht mehr deinen Chef um Erlaubnis bitten, wenn du an einem Tag früher gehen oder später kommen möchtest, weil du keinen anderen Arzttermin bekommen hast oder dein Kind rechtzeitig aus der Kita holen musst. Wann du arbeitest, legst du selbst fest – ganz ohne Absprache. Damit kannst du deine Arbeitszeit nicht nur bei privaten Terminen und Verpflichtungen nach Belieben planen, sondern auch, wenn es dir um die Gestaltung deiner Freizeit geht. An einem sonnigen Tag kannst du etwa den Nachmittag draußen verbringen statt im Büro, wenn du vorgearbeitet hast oder nacharbeitest.

Bei Vertrauensarbeitszeit hast du als Arbeitnehmer ein hohes Maß an Eigenverantwortung und arbeitest sehr selbstbestimmt. Gleichzeitig wirst du weniger stark kontrolliert. Dass dir dein Arbeitgeber Freiräume lässt und dir Vertrauen entgegenbringt, kann dazu führen, dass du motivierter bist und dir die Arbeit mehr Spaß macht. Oft nehmen Arbeitnehmer ihren Job als gewinnbringender – oder zumindest als weniger lästig – wahr, wenn sie die Arbeitsbedingungen als gut empfinden.

Vorteile von Vertrauensarbeitszeit für Arbeitgeber

Arbeitgeber profitieren eher indirekt von Vertrauensarbeitszeit. Dass viele Beschäftigte flexible Arbeitsbedingungen schätzen, kann deren Motivation und Leistung steigern. Eine größere Jobzufriedenheit stärkt die Mitarbeiterbindung, was ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz ist. Auch das Vertrauen, das den Mitarbeitern entgegengebracht wird, kann deren Zufriedenheit erhöhen. Zufriedene Mitarbeiter sind oft produktiver und haben ein tendenziell verringertes Risiko, krankheitsbedingt auszufallen.

Ein Vertrauensarbeitszeit-Modell setzt ein relativ großes gegenseitiges Vertrauen voraus. Gleichzeitig wird das Vertrauen weiter gestärkt, wenn es mit der Vertrauensarbeitszeit gut läuft. Dadurch kann nicht nur die Beziehung zwischen dem Arbeitgeber und seinen Beschäftigten, sondern auch das Betriebsklima insgesamt verbessert werden.

Nicht zuletzt fördert Vertrauensarbeitszeit unternehmerisches Denken und andere aus Sicht von Arbeitgebern positive Eigenschaften der Mitarbeiter – etwa Eigenverantwortung, Entscheidungsfreude und Eigeninitiative.

Nachteile von Vertrauensarbeitszeit für Arbeitnehmer

Ein hohes Maß an Eigenverantwortung im Job kann Arbeitnehmer beflügeln – oder lähmend wirken. Arbeitnehmer, die sich nicht gut ohne fremde Anweisungen organisieren können, geraten bei einer Vertrauensarbeitszeit womöglich in Schwierigkeiten. Das kann zu einer Überforderung und einem vergleichsweise hohen Druck führen – besonders dann, wenn die Zielvorgaben unrealistisch sind. Längst nicht immer ist Führungskräften klar, wie viel Arbeit in einer bestimmten Aufgabe steckt oder wie Leistungen objektiv zu werten sind.

Vertrauensarbeitszeit birgt für Arbeitnehmer zudem das Risiko, zu viel zu arbeiten. Einerseits hängt das mit dem Fehlen von allgemeingültigen Arbeitszeiten zusammen. Wenn klar ist, dass man jeden Tag von 8 bis 17 Uhr arbeitet, fällt eher auf, wenn man länger arbeitet, als bei wechselnden Arbeitszeiten. Wenn großer Druck herrscht, die Zielvorgaben rechtzeitig zu erreichen, sind „freiwillige“ Überstunden häufig die Folge.

Kommt es bei Vertrauensarbeitszeit immer wieder zu Überstunden, kann das die Mitarbeiter auf Dauer krank machen. Besonders groß ist das Risiko, sich selbst auszubeuten und körperlich wie psychisch zu schädigen, wenn die Arbeitszeit nicht konsequent erfasst wird. Wenn nicht klar ist, wann man abseits der tatsächlichen Arbeitszeit für den Chef erreichbar sein muss, trägt auch das zu einer höheren Belastung bei. Die Gefahr ist groß, dass die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmen.

Ein weiterer Nachteil der Vertrauensarbeitszeit ist aus Sicht von Arbeitnehmern, dass die Abstimmung mit Kollegen erschwert sein kann. Wer nicht weiß, wann andere da sind, kann schlechter planen – das kann mitunter für Frust sorgen.

Nachteile von Vertrauensarbeitszeit für Arbeitgeber

Zu den Nachteilen von Vertrauensarbeitszeit für Arbeitgeber gehört der Kontrollverlust, der damit verbunden ist. Vertrauensarbeitszeit ist immer mit einem gewissen Risiko des Missbrauchs durch die Mitarbeiter verbunden – das kann der Produktivität und Wirtschaftlichkeit schaden.

Wenn die Mitarbeiter jeweils zu unterschiedlichen, wechselnden Zeiten anwesend sind, kann darunter die Zusammengehörigkeit der Teams leiden. Eine erschwerte Absprache kann wiederrum Einbußen bei der Produktivität zur Folge haben. Für Arbeitgeber ist zudem oft unklar, wann bestimmte Mitarbeiter erreichbar sind.

Geht die Vertrauensarbeitszeit mit mehr Arbeitszeit für die Mitarbeiter einher, ist das auch für Arbeitgeber ein Problem. Durch eine hohe Arbeitsbelastung fallen Beschäftigte tendenziell häufiger und langfristiger aus.

Diese Rechte und Pflichten gehen mit Vertrauensarbeitszeit einher

Vertrauensarbeitszeit kann für die Beteiligten nur dann gewinnbringend sein, wenn bestimmte Rechte und Pflichten beachtet werden. Die Rechte von Arbeitnehmern betreffen insbesondere den Arbeitsschutz und die Arbeitszeit. Arbeitgeber haben im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht eine Schutzverantwortung ihren Beschäftigten gegenüber. Sie müssen sicherstellen, dass die Höchstarbeitszeiten trotz der flexiblen Arbeitszeitgestaltung eingehalten werden.

Pro Woche dürfen Arbeitnehmer laut Arbeitszeitgesetz höchstens 48 Stunden arbeiten. Im Normalfall sollte die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten, ausnahmsweise dürfen Beschäftigte jedoch auch bis zu zehn Stunden am Tag arbeiten. Das muss jedoch auf im Schnitt acht Stunden pro Tag ausgeglichen werden, und zwar innerhalb der folgenden sechs Monate.

Wichtig ist auch, dass die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen eingehalten wird. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben und beträgt in den meisten Bereichen elf Stunden. Ausnahmen gelten unter anderem in Pflege und Krankenhäusern, wo die Ruhezeit verkürzt sein kann. Ansonsten darf sie nicht unterschritten werden, denn sie dient der Erholung und beugt Überlastung vor. Ab einer Arbeitszeit von sechs Stunden muss zudem eine Pause gemacht werden. Arbeitgeber müssen außerdem sicherstellen, dass das Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen eingehalten wird.

Vertrauensarbeitszeit: Zeiterfassung ist wichtig

Ein entscheidender Aspekt bei der Vertrauensarbeitszeit sind Überstunden. Jegliche Arbeitszeiten müssen erfasst werden, damit Überstunden überhaupt registriert und entsprechend kompensiert werden. Bei der Zeiterfassung bei Vertrauensarbeitszeit gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann der Arbeitgeber die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter ebenso notieren wie die Beschäftigten selbst. Bei Vertrauensarbeitszeit kann die Zeiterfassung etwa mit einer App, über eine Anmeldung auf dem Firmenserver oder schlicht durch handschriftliche Notizen geschehen.

Damit die Vertrauensarbeitszeit funktioniert, müssen Mitarbeiter bestimmte Pflichten erfüllen. Ihre Hauptpflicht in einem Arbeitsverhältnis ist es, ihre vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen. Gleichzeitig müssen sie in einem Vertrauensarbeitszeit-Modell besonders eigenverantwortlich arbeiten und sich selbst gut organisieren können. Falls dies mit dem Arbeitgeber so besprochen ist, sind sie dafür verantwortlich, ihre Arbeitszeiten zu erfassen. Eine Pflicht, die tägliche Arbeitszeit mit dem Arbeitgeber abzusprechen, besteht jedoch nicht.

Vertrauensarbeitszeit und das EuGH-Urteil: Das Aus für das Modell?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Mai 2019 entschieden, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter genau erfassen müssen. Das gilt nicht nur für die eigentliche Arbeitszeit und Überstunden, sondern auch für den Anruf des Chefs nach Feierabend oder die geschäftliche E-Mail, die beim Frühstück geschrieben wird. Das Urteil soll nicht erfassten und somit unbezahlten Überstunden entgegenwirken und Arbeitnehmer schützen. Es soll dazu beitragen, dass Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten eingehalten werden und stärkt so Arbeitnehmerrechte.

Die vorgeschriebene genaue Dokumentation der Arbeitszeit kann bei Vertrauensarbeitszeit zum Problem werden, weil es dabei keine festen Arbeitszeiten gibt. Vielfach wurde das Urteil des EuGHs deshalb als Tod der Vertrauensarbeitszeit gewertet. Zwar ist ein gewisser Aufwand nötig, um es rechtskonform zu regeln. Möglich ist die Umsetzung aber trotzdem, denn solange gesetzliche Regelungen zu den Arbeitszeiten beachtet werden, spricht nichts gegen die Vertrauensarbeitszeit. Bei Vertrauensarbeitszeit kann die Zeiterfassung etwa über Apps erfolgen.

Dass das EuGH-Urteil die Anreize für Arbeitgeber, Vertrauensarbeitszeit einzuführen, senkt, hängt auch mit höheren Erwartungen an Arbeitnehmer zusammen, permanent erreichbar zu sein. In vielen Bereichen ist es normal geworden, dass Mitarbeiter auch in ihrer Freizeit E-Mails lesen, schreiben oder Anrufe entgegennehmen. Wenn immer häufiger private Zeit als geschäftliche Zeit genutzt wird, gerät die Work-Life-Balance jedoch aus dem Gleichgewicht – mit häufig gravierenden Folgen, die von Burnout bis zu Schlaganfällen, Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Beschwerden reichen können. Das EuGH-Urteil hilft, einer Überlastung vorzubeugen. Ohnehin mussten Überstunden laut dem Arbeitszeitgesetz schon vorher aufgezeichnet werden. Das wurde allerdings vielerorts nicht so ernst genommen.

Bildnachweis: djile / Shutterstock.com


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