Ein junger Mann macht ein Selfie mit der Oma in der 4-Tage-Woche

Die 4-Tage-Woche: Klasse Idee oder Luftnummer?

Weniger arbeiten bei gleichem Gehalt und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Umsätze des Chefs weiter steigen – so klingt die ideale 4-Tage-Woche. Aber wie sieht das Modell in der Realität aus, ist es überhaupt umsetzbar, welche Vor- und Nachteile gibt es bei einer Vier-Tage-Woche und was passiert mit meinem Urlaubsanspruch?

4-Tage-Woche: Was versteht man darunter?

Was mit der 4-Tage-Woche (auch Vier-Tage-Woche geschrieben) gemeint ist, verrät schon der Name: In diesem Modell können sich Mitarbeiter über eine verkürzte Arbeitszeit freuen. Dabei geht es nicht nur um eine halbe Stunde, die sie früher Feierabend machen können, sondern gleich um einen ganzen Tag. Sie arbeiten also wöchentlich nur noch vier statt fünf Tage.

Klingt für Beschäftigte nach paradiesischen Zuständen – und ist auch noch nicht alles. Denn in der Theorie soll es in der 4-Tage-Woche für den entgangenen Arbeitstag einen Ausgleich für den nicht erarbeiteten Lohn oder Gehalt geben.

Finanziert werden soll dieser Lohnausgleich entweder vom Staat – analog zum Kurzarbeitergeld – oder von den Unternehmen selbst. Denn dank des zusätzlichen freien Tages arbeiten die Mitarbeiter motivierter und produktiver und erwirtschaften somit den freien Tag gleich selbst – in der Theorie zumindest.

Es gibt aber auch eine andere Ausprägung der Vier-Tage-Woche. Dabei arbeiten Mitarbeiter natürlich auch nur an 4 Tagen in der Woche, die Arbeitszeit bleibt aber gleich. In diesem Modell lässt der Arbeitgeber seinen Beschäftigten die Wahl, wie sie sich die Arbeitszeit so einteilen, dass sie an einem Tag in der Woche zuhause bleiben können. Die reguläre Arbeitszeit bleibt jedoch bei 40 Stunden bei Vollzeitbeschäftigten.

Die Vorteile der Vier-Tage-Woche

Der wohl offensichtlichste Vorteil für die Beschäftigten, die eine 4-Tage-Woche haben, ist die zusätzliche Freizeit. Daneben gibt es aber noch weitere erfreuliche Vorteile für Arbeitnehmer aber auch für Arbeitgeber.

  • Mehr Zeit: Wer nur noch vier statt fünf Tage in der Woche arbeitet, hat mehr Zeit, sich um andere Dinge zu kümmern. So können berufstätige Eltern zum Beispiel den Tag mit ihrem Kind verbringen, statt arbeiten zu gehen. Angehörige, die einen anderen Menschen pflegen müssen, bekommen mehr Zeit, sich dieser wichtigen Aufgabe zu widmen oder den „Papierkram“ in Ruhe erledigen zu können. Andere Beschäftigte können den zusätzlichen Tag aber auch einfach dafür nutzen, sich zu erholen oder den Dingen nachzugehen, zu denen sie sonst nicht kommen. Denkbar wären Arzttermine, Behördenbesuche oder Wohnungsbesichtigungen.
  • Mehr Produktivität: Dadurch, dass die Beschäftigten nur vier Tage pro Woche arbeiten, soll die Produktivität steigen. Sie arbeiten nämlich mit mehr Motivation und Elan, was dazu führt, dass ihnen die Aufgaben schneller von der Hand gehen. Von der gesteigerten Produktivität profitiert natürlich auch der Chef. Denn der macht dadurch mehr Umsatz, wodurch sich die 4-Tage-Woche förmlich von selbst finanziert.
  • Mehr Attraktivität: Der wohl größte Vorteil für Unternehmen ist die größere Attraktivität als Arbeitgeber. Gerade in spezialisierten Branchen sind Fachkräfte rar gesät. Wer dann mit einer 4-Tage-Woche locken kann, hat klare Vorteile gegenüber der Konkurrenz.
  • Bessere Gesundheit: Wenn Mitarbeiter mehr Zeit haben, sich zu erholen, ist das natürlich auch für die Gesundheit förderlich. Wer an drei Tagen pro Woche dem Hamsterrad entkommen kann, hat insgesamt weniger Stress. Und damit auch weniger der häufigen Probleme wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen, Rückenschmerzen und viele andere.
  • Bessere Stimmung: Wenn die Mitarbeiter gerne und motiviert zur Arbeit kommen, hat das einen positiven Einfluss auf das gesamte Betriebsklima. Das wiederum soll sich noch dadurch verstärken, dass alle Mitarbeiter lieber am Arbeitsplatz sind. Die 4-Tage-Woche wäre sozusagen ein umgekehrter Teufelskreis, in dem sich positive statt negative Gefühle verstärken.

Die Nachteile der 4-Tage-Woche

Natürlich gibt es auch Dinge, die sich eher nachteilig auswirken, wenn es um die 4-Tage-Woche geht. Abgesehen davon, dass einige Arbeitgeber Probleme haben dürften, für weniger Arbeitszeit das gleiche Gehalt zu zahlen. Folgende weitere Nachteile der 4-Tage-Wochen zeigen sich dabei:

  • Größerer Druck: Einige Arbeitnehmer sehen sich unter Umständen durch die 4-Tage-Woche unter Druck gesetzt. Wird die Arbeit nämlich nicht weniger, muss mehr innerhalb der verbleibenden Arbeitszeit geleistet werden. Das aber führt dazu, dass durch die größere Arbeitsbelastung auch der Druck steigt. Statt sich über mehr Freizeit freuen zu können, benötigen Arbeitnehmer den zusätzlichen freien Tag nur deshalb, um sich zu erholen. Von mehr Freizeit profitieren die Mitarbeiter dann leider nicht.
  • Eingeschränkte Berufe: Nur montags bis donnerstags zu arbeiten, gelingt natürlich nicht in allen Berufen. Im Krankenhaus oder in der Schule können Beschäftigte eben nicht dann arbeiten, wann sie möchten. Die 4-Tage-Woche eignet sich daher nicht für alle Berufe, sondern vermutlich hauptsächlich für Tätigkeiten, die sich am Schreibtisch erledigen lassen. Auch das will bedacht sein, wenn man über das Modell nachdenkt.
  • Scheinbare Flexibilität: Je nachdem, wie die 4-Tage-Woche umgesetzt wird, kann die Flexibilität nur sehr eingeschränkt wahrgenommen werden. Wenn Mitarbeiter sogar die üblichen 40 Stunden auf nur vier Tage verteilen müssen, kann von Flexibilität sogar kaum noch eine Rede sein. Denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist dann nur noch sehr schwer möglich. Der freie Tag unter der Woche nützt dann auch nicht viel, wenn die Kinder in der Schule sind und Eltern allein zuhause sitzen.
  • Mehr Heimarbeit: Einige Arbeitnehmer kommen vielleicht auf die Idee, den fehlenden Arbeitstag zuhause nachzuarbeiten. Das ist eine Entwicklung, die sich ohnehin schon etwas länger beobachten lässt: Was man im Büro nicht schafft, nimmt man kurzerhand mit nachhause und erledigt es nach Dienstschluss dort. Das ist nicht nur absolut schädlich für die Work-Life-Balance, sondern auch für den Geldbeutel. Denn die Stunden, die damit zugebracht werden, zuhause berufliche Mails zu beantworten oder die Präsentation für den nächsten Tag vorzubereiten, werden nicht vergütet – und einen Freizeitausgleich gibt es dementsprechend für diese Zeiten auch nicht. Eine 4-Tage-Woche in diesem Sinne wäre ein echtes Nullsummenspiel. Das sollte man sich überlegen, bevor man mit dem Gedanken spielt, die 4-Tage-Woche zu beantragen.
  • Weniger Urlaubsanspruch: Der Urlaubsanspruch errechnet sich in der Regel auf der Grundlage der gearbeiteten Tage. Damit reduziert sich der Urlaubsanspruch in einer 4-Tage-Woche entsprechend. Auch daran sollten Arbeitnehmer denken, die zum Beispiel schulpflichtige Kinder haben und mit weniger Urlaub auch weniger flexibel zuhause bleiben können, wenn Not am Mann ist.

Ist die 4-Tage-Woche realisierbar?

Die wohl eher unbefriedigende Antwort auf diese Frage: Es kommt darauf an. Es gibt einige Unternehmen – darunter beispielsweise Microsoft –, die viele gut Erfahrungen mit dem Arbeitszeitmodell gemacht haben. Für einige Branchen und Arbeitgeber ist die 4-Tage-Woche ein echter Segen im Kampf um benötigte Fachkräfte.

Auf der anderen Seite gilt das aber eben nicht für alle Unternehmen. Abgesehen davon, dass vorab viele organisatorische Fragen geklärt werden müssen, wie beispielsweise welcher Tag frei sein soll und ob alle Mitarbeiter gleichzeitig den freien Tag nehmen. Muss zum Beispiel das Büro auch freitags besetzt sein, gibt es schon wieder mehr Aufwand, da jede Woche wenigstens ein Mitarbeiter ausgewählt werden muss, der am Freitag die Stellung hält.

Darf dieser Mitarbeiter im Gegenzug an einem beliebigen Tag während der Woche zuhause bleiben, muss wiederum organisiert und geplant werden. Gerade in größeren Teams, bei denen ein Mitarbeiter auf viele andere angewiesen ist, könnte der Aufwand den Nutzen übersteigen. Wenn eine Menge Zeit jede Woche dafür benötigt wird, um die Übergabe zu planen, lohnt sich der freie Tag (für Arbeitgeber) kaum noch. Und auch die Arbeitnehmer könnten durch die viele Planung genervt werden, was sich wiederum ungünstig auf die Produktivität auswirkt.

Bildnachweis: Africa Studio / Shutterstock.com


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