Ein Mann liest ein Dokument, was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit: Wie du sie erkennst & was zu beachten ist

Freelancer, andere Selbstständige und deren Auftraggeber sollten sich mit dem Thema Scheinselbstständigkeit befassen. Denn Scheinselbstständigkeit kann finanzielle Folgen für alle Beteiligten haben. Wird die Tätigkeit nämlich nicht als selbstständige, sondern als abhängige Beschäftigung gewertet, fallen Sozialbeiträge an. Zusätzlich dazu muss unter Umständen auch ein Bußgeld gezahlt werden. Was es zum Thema Scheinselbstständigkeit zu beachten gibt, erfährst du hier.

Definition: Was bedeutet Scheinselbstständigkeit?

Von Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn ein Freelancer von der Deutschen Rentenversicherung, einem Amtsgericht, dem Finanzamt oder den Sozialversicherungen nicht als Selbstständiger, sondern als Arbeitnehmer betrachtet wird. Und das kann teuer werden – und zwar für beide Seiten.

Wird eine ursprünglich als Freelancer beauftragte Person als scheinselbstständig eingruppiert, muss der Auftraggeber die Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend bezahlen. Zusätzlich kommen in manchen Fällen noch weitere Kosten wie zum Beispiel Strafzahlungen auf ihn zu.

Wir können dir keine verbindliche rechtliche Auskunft geben. Wenn dir vorgeworfen wird, scheinselbstständig zu sein, solltest du dich in jedem Fall an einen Fachanwalt wenden.

Scheinselbstständigkeit: die Kriterien

Auch wenn du mit deinem Auftraggeber einen Vertrag geschlossen hast, in dem vereinbart ist, dass du als selbstständiger Auftragnehmer arbeitest, heißt das noch lange nicht, dass die zuständigen Stellen (Finanzamt, Rentenversicherung) das auch so sehen.

Folgende Kriterien können dir dabei helfen, zu entscheiden, ob du Gefahr läufst, scheinselbstständig zu sein:

  1. Du bist überwiegend für einen Auftraggeber tätig und machst dort den Großteil deines Umsatzes.
  2. Du bist deinem Auftraggeber gegenüber weisungsgebunden: Das bedeutet, dass dein Auftraggeber dir ganz klare Anweisungen gibt, die du möglichst genau befolgen sollst. Du hast also relativ wenig Spielraum, wie du deine Arbeit konkret ausgestaltest.
  3. Du arbeitest vor Ort bei dem Auftraggeber: Dein Auftraggeber stellt dir in seinem Bürogebäude oder in seiner Produktionshalle einen Arbeitsplatz zur Verfügung und gibt dir die Arbeitsmittel, die du benötigst, um die Arbeit zu machen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass dein Auftraggeber dir eine betriebsinterne Telefonnummer und E-Mail-Adresse gibt, die du nutzen sollst.
  4. Du kannst nicht frei darüber entscheiden, wann, wo und wie lange du arbeitest.
  5. Wenn festangestellte Mitarbeiter in Urlaub gehen, musst du dich mit diesen Mitarbeitern abstimmen und eine Vertretungsregelung finden. Du bist also in die betrieblichen Abläufe bei deinem Arbeitgeber eingebunden.
  6. Die enge betriebliche Einbindung zeigt sich auch dadurch, dass du deinem Auftraggeber in festgelegten Abständen über den Fortschritt deiner Arbeit berichten sollst.
  7. Die Tätigkeit, die du bei deinem Auftraggeber ausübst, wird auch von Festangestellten im Unternehmen übernommen.
  8. Du hast die Tätigkeit, die du nun selbstständig ausübst, zuvor bei deinem Auftraggeber in Festanstellung ausgeübt. Beispiel: Eine Mitarbeiterin kehrt nach ihrer Elternzeit nicht als Angestellte an ihren Arbeitsplatz zurück, sondern macht sich selbstständig und führt die gleichen Aufgaben aus, ohne dass ihr ehemaliger Arbeitgeber Sozialabgaben und Versicherungen für sie zahlt.

Scheinselbstständige: Beispiele

Gerade Freiberufler und Freelancer sind häufig von Scheinselbstständigkeit betroffen. Schauen wir uns einmal ein typisches Beispiel für Tätigkeiten an, die recht schnell in die Scheinselbstständigkeit rutschen können:

Ein selbstständiger Programmierer gewinnt überraschend einen Kunden, der recht gut bezahlt. Um für diesen Kunden gute Arbeit erledigen zu können, hält sich der Freelancer viel Zeit frei, die in der Folge von dem Auftraggeber gebucht wird. Der Selbstständige arbeitet also immer mehr für nur diesen Auftraggeber. Um die Abstimmungen zu erleichtern, bietet der Auftraggeber dem Selbstständigen an, einen Schreibtisch und den stationären PC direkt vor Ort zu nutzen. Bereits das könnte im Hinblick auf Scheinselbstständigkeit problematisch sein. Wenn der Freelancer dann auch noch zu den üblichen Bürozeiten im Büro sein soll, könnte es sich nicht mehr um eine selbstständige Tätigkeit, sondern um ein Arbeitsverhältnis handeln.

Freelancer und Scheinselbstständigkeit: finanzielle Grenze beachten

Wie oben bereits angesprochen, ist die Zahl der Auftraggeber und die Höhe des Umsatzes, die pro Auftraggeber erzielt wird, entscheidend. Wer zwar mehrere Auftraggeber hat, aber mit nur einem Auftraggeber den größten Teil seines Umsatzes erwirtschaftet, der könnte ebenfalls unter den Verdacht der Scheinselbstständigkeit fallen.

Die Grenze für Einnahmen von einem einzigen Auftraggeber liegt bei 83 Prozent, also fünf Sechstel des Umsatzes. Die Deutsche Rentenversicherung setzt diese Grenze häufig als Übergang in die Scheinselbstständigkeit an. Du solltest diese Zahl also unbedingt im Auge behalten.

Scheinselbstständigkeit vermeiden: Was ist zu tun?

Ein Vertrag über die Zusammenarbeit mit deinem Auftraggeber reicht leider nicht aus, um die Scheinselbstständigkeit auszuschließen. Denn wie wir gesehen haben, können sich in der täglichen Arbeit Änderungen ergeben, die letztlich zu einer Scheinselbstständigkeit führen.

Du als Auftragnehmer kannst aber auf einige Dinge achten, um die Scheinselbstständigkeit zu vermeiden:

  • Melde dich bei der Deutschen Rentenversicherung und nimm an einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren teil.
  • Lasse dich von einem Experten, wie zum Beispiel einem Rechtsanwalt, umfassend zum Thema beraten.
  • Am besten vereinbarst du mit deinen Kunden keine monatlichen oder wöchentlichen Pauschalen, sondern rechnest genau die Leistungen ab, die du auch erbracht hast.
  • Betreibe auch trotz eines festen Stamms an Auftraggebern weiterhin Akquise. So zeigst du nach außen, dass du wirtschaftlich eigenverantwortlich handelst und dich nicht nur auf einen Hauptauftraggeber verlässt.
  • Du trägst allein das unternehmerische Risiko für deine Tätigkeiten. Das heißt, dass du dein eigenes Kapital und deine Arbeitskraft auf eigenes Risiko einsetzt. Dazu zählt auch, dass du – solltest du krankheitsbedingt ausfallen – keine Bezahlung von deinem Auftraggeber erhältst. Du wirst nur für die Arbeit bezahlt, die du auch tatsächlich erbringst.

Bildnachweis: Jack Frog / Shutterstock.com


Nach oben scrollen