Faktisches Arbeitsverhältnis: Job ohne Vertrag – was nun?
Wenn der Arbeitsvertrag fehlerhaft oder unvollständig ist oder gar nicht vorliegt, kann es zu einem faktischen Arbeitsverhältnis kommen. Hier erfährst du, was ein faktischer Arbeitsvertrag in der Praxis bedeutet, welche Rechte du als Arbeitnehmer hast und wie du dich in so einer Situation am besten verhältst.
Was ist ein faktisches Arbeitsverhältnis?
Bei einem faktischen Arbeitsverhältnis ist jemand de facto für einen Arbeitgeber tätig, es gibt jedoch keinen Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag kann auch fehlerhaft oder unvollständig sein. Erbringt ein Beschäftigter aber dennoch seine reguläre Arbeitsleistung, entsteht ein Arbeitsverhältnis – auch ohne Arbeitsvertrag. Entscheidend ist allein, dass ein Beschäftigter seine Arbeit anbietet, der Arbeitgeber dieses Angebot annimmt und ihn somit beschäftigt.
Entsteht auf diese Weise ein faktischer Arbeitsvertrag, kann das durch verschiedene Umstände bedingt sein. Ein Szenario ist, dass ein Arbeitnehmer schon für einen neuen Arbeitgeber tätig ist, es aber noch keinen Arbeitsvertrag gibt, der von beiden Seiten unterzeichnet wurde. Eine solche Situation kann auch entstehen, wenn der Arbeitsvertrag bestimmte Aspekte ausklammert, Fehler enthält oder die Regeln zum Teil unklar sind.
Ein reguläres Arbeitsverhältnis basiert auf einem Arbeitsvertrag, der alle wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner klar und vollständig regelt. Der Arbeitsvertrag kann sowohl schriftlich als auch mündlich geschlossen sein, damit er wirksam ist. Handelt es sich hingegen „nur“ um ein faktisches Arbeitsverhältnis, fehlen bestimmte Details oder sie sind fehlerhaft.
Faktischer Arbeitsvertrag: Warum es dazu kommen kann
Ein möglicher Grund für einen faktischen Arbeitsvertrag ist eine ungültige Kündigung. Es kommt immer wieder vor, dass sich eine Kündigung als unwirksam herausstellt – zum Beispiel, weil Fristen oder Formvorschriften nicht beachtet wurden. Geht ein Mitarbeiter trotz einer Kündigung weiter zur Arbeit, besteht das Arbeitsverhältnis faktisch fort.
Ebenso kann es sein, dass sich der Arbeitsvertrag aus rechtlichen Gründen als unwirksam erweist. Das kann etwa wegen formaler Fehler der Fall sein. Erbringt der Beschäftigte seine Arbeitsleistung trotzdem, handelt es sich um ein faktisches Arbeitsverhältnis.
Denkbar ist auch eine unrechtmäßige Befristung. Dadurch kann sich ein Arbeitsverhältnis über den eigentlich vereinbarten Zeitpunkt hinaus fortsetzen. Der Beschäftigte arbeitet dann über den befristeten Vertrag hinaus für den Arbeitgeber, ohne dass es schon einen neuen Vertrag gibt.
Eine weitere mögliche Ursache für ein faktisches Arbeitsverhältnis ist ein annullierter Arbeitsvertrag. Wird ein Arbeitsvertrag angefochten und für nichtig befunden, heißt das nicht, dass es kein Arbeitsverhältnis mehr gibt. Wenn Beschäftigte trotzdem arbeiten, liegt ein faktisches Arbeitsverhältnis vor, mit dem entsprechende Rechte verbunden sind.
Hier findest du einige Praxisbeispiele wie ein faktischer Arbeitsvertrag zustande kommen kann:
- Du hast dich bei einem Unternehmen beworben, das dir daraufhin ein Jobangebot gemacht hat. Du hast mündlich zugesagt, aber nie einen schriftlichen Vertrag vorgelegt bekommen.
- Dein befristeter Vertrag läuft aus. Das Unternehmen möchte dich weiterbeschäftigen, hat dir aber noch keinen neuen Vertrag vorgelegt. Wenn du dann weiter wie gewohnt zur Arbeit gehst, entsteht ein faktisches Arbeitsverhältnis.
- Du hast einen neuen Job, für den du den Arbeitsvertrag schon unterschrieben hast. Dann stellst du fest, dass der Vertrag Fehler enthält oder unvollständig ist – ein faktisches Arbeitsverhältnis besteht dann trotzdem.
Faktisches Arbeitsverhältnis: Rechtsfolgen
Beschäftigte in einem faktischen Arbeitsverhältnis haben dieselben Rechte und Pflichten wie Arbeitskräfte mit einem regulären Arbeitsvertrag.
Arbeitnehmer haben also ein Recht auf Bezahlung der geleisteten Arbeit. Außerdem haben sie Anspruch auf Urlaubstage, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses können sie zudem ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. Umgekehrt haben sie die Pflicht, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen und den Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten.
Arbeitgeber müssen für Arbeitnehmer bei einem faktischen Arbeitsverhältnis die üblichen Sozialversicherungsbeiträge abführen. Tun sie dies nicht, machen sie sich strafbar. Außerdem müssen Arbeitgeber die Rechte ihrer Mitarbeiter achten und für sichere Arbeitsbedingungen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht sorgen.
Auf dem Weg in ein faktisches Arbeitsverhältnis? Auf diese Warnzeichen solltest du als Bewerber achten
Manchmal kommt ein faktischer Arbeitsvertrag überraschend für Arbeitnehmer. Oft ist es aber möglich, schon vorher abzuschätzen, ob in einem neuen Job alles regelkonform abläuft. Als Bewerber ist es wichtig, auf frühe Anzeichen dafür zu achten, dass etwas schiefläuft. Es könnte zum Beispiel sein, dass noch kein Arbeitsvertrag vorliegt, du aber schon mit der Arbeit beginnen sollst. Oder vielleicht erhältst du Vertragsunterlagen, aber so kurzfristig, dass du keine Zeit hast, sie eingehend zu prüfen. Später stellst du womöglich fest, dass wichtige Angaben – etwa zur Tätigkeit, zur Arbeitszeit oder zur Vergütung – fehlen.
Das Vorstellungsgespräch ist eine gute Gelegenheit, genauer nachzufragen. Du kannst dich darin nach den Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit erkundigen, nachfragen, ob es eine Befristung gibt oder wie Überstunden geregelt sind. Ein seriöser Arbeitgeber hat kein Problem damit, deine Fragen im Detail zu beantworten. Reagieren deine Gesprächspartner hingegen zögerlich oder ausweichend, kann das ein Warnhinweis sein: Womöglich nimmt man formale Vorgaben hier nicht so ernst.
Wenn du schon eine Zusage hast und dir ein Vertragsangebot vorliegt, solltest du den Vertrag genau prüfen, bevor du unterzeichnest oder mit der Arbeit beginnst. Achte darauf, dass wichtige Aspekte geregelt sind. Dazu gehören insbesondere:
- Höhe und Zusammensetzung des Gehalts
- Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses
- Wöchentliche Arbeitszeit
- Arbeitsort
- Tätigkeit
- Urlaubsanspruch
- Probezeit
- Kündigungsfrist
Fehlen bestimmte Punkte oder wirken sie vage, frage nach und scheue dich nicht, um eine Korrektur zu bitten. So steigen die Chancen, dass du einen rechtssicheren Arbeitsvertrag erhältst.
Ein faktisches Arbeitsverhältnis beenden: So machst du es richtig
Wenn ein faktisches Arbeitsverhältnis beendet werden soll, ist es wichtig, das in der korrekten Form zu tun. Um sich gegen mögliche Nachteile und Streitigkeiten abzusichern, ist es wichtig, grundsätzlich schriftlich zu kündigen und dabei die gesetzlichen Regelungen zu beachten. Damit eine Kündigung wirksam werden kann, muss sie den formalen Anforderungen genügen. So muss etwa deutlich werden, dass es sich um eine Kündigung handelt und zu welchem Zeitpunkt sie wirksam werden soll.
Die Kündigungsfristen sind bei der Kündigung eines faktischen Arbeitsverhältnisses genauso, wie es bei einem regulären Arbeitsverhältnis der Fall wäre. Gelten die gesetzlichen Fristen, können Arbeitnehmer mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende oder zum 15. eines Monats kündigen. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber kommt es auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit an: Je länger ein Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt war, desto länger ist die gesetzliche Kündigungsfrist.
Für Arbeitgeber, die einen faktischen Arbeitsvertrag kündigen möchten, ist es wichtig, sich an die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) zu halten – wenn diese in Ihrem Betrieb gelten. Außerdem muss ein besonderer Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen, Mitarbeiter mit Schwerbehinderung oder Mitglieder des Betriebsrats beachtet werden.
In schwerwiegenden Fällen kann eine außerordentliche, fristlose Kündigung möglich sein. Das geht jedoch nur aus wichtigem Grund und muss unbedingt entsprechend der Formvorschriften geschehen, damit die Kündigung wirksam ist. Im Zweifel ist es sinnvoll, sich von einem Anwalt oder einer Gewerkschaft beraten zu lassen.
Faktisches Arbeitsverhältnis? So sicherst du dich ab
Für Arbeitnehmer kann es gewisse Risiken bergen, in einem faktischen Arbeitsverhältnis zu stecken. Zwar haben sie dieselben Rechte und Pflichten wie regulär angestellte Beschäftigte auch – wenn der Arbeitgeber sich jedoch querstellt, kann es schwer sein, diese Rechte durchzusetzen. Wenn du in so einer Situation bist, ist es daher wichtig, sich möglichst gut abzusichern.
Ein wichtiger Aspekt ist die Dokumentation von Beweisen. Es kann sinnvoll sein, E-Mails, Chatverläufe oder Nachweise über geleistete Arbeit zu sichern. Bei Streitigkeiten können auch Lohnabrechnungen, Stundenzettel oder die Aussagen von Zeugen sehr nützlich sein. Je besser du belegen kannst, dass du tatsächlich gearbeitet hast, desto stärker ist deine Position, wenn es darum geht, deine Ansprüche auf Lohn, Urlaub oder Kündigungsschutz geltend zu machen.
Wie verhält man sich gegenüber dem Arbeitgeber, wenn man in einem Konflikt wegen eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses steckt? Einerseits ist es wichtig, das Gespräch zu suchen und offen über Themen zu reden, die geklärt werden müssen. Andererseits ist entscheidend, dass das in einer sachlichen, respektvollen Art und Weise geschieht, damit das Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unnötig belastet wird. Der richtige Umgang kann helfen, ernsthafte Probleme zu vermeiden.
Nicht immer ist es möglich, sich ohne Unterstützung mit dem Arbeitgeber einig zu werden, wenn es zu einem faktischen Arbeitsverhältnis gekommen ist. In solchen Fällen gibt es verschiedene Anlaufstellen, an die du dich wenden kannst. Ein Ansprechpartner ist der Betriebsrat, der sich um die Interessen der Arbeitnehmer kümmert. Du kannst dich auch an eine Gewerkschaft wenden, wenn du Mitglied dort bist, oder du suchst dir einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, wenn du überlegst, rechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber einzuleiten.
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